Monster Truck

MADE FOR LOVE

Made for Love erzählt die tragische Liebesgeschichte einer Shampooflasche und einer Milchtüte. Wenn die Menschheit vom Erdboden verschwunden ist, bleiben die Dinge und wiederholen die Gebräuche, die sie gelernt haben. Liebe, Hass, Sex und Gewalt. Doch können sich das Shampoo und die Milch auf eine romantische Weise vermischen? Wird eine neue Aphrodite aus dem Schaum geboren? Oder bleibt alles ein großes Missverständnis auf einer Recyclingmüllkippe im Nirgendwo? Ein Beziehungsdrama zwischen warenästhetischer Erziehung, romantischer Verblendung und der Sehnsucht nach dem inneren Kern der doppelt beschichteten Verpackung.

VON UND MIT Monster Truck, Joscha Bauer, Dominik Dewitz, Nina Malotta, Mark Schröppel, Patrick Siegmann, Sylvia Sobottka, Stephan Stockmeier, Yannick Strohmeier FOTOGRAFIE Vladimir Wegener PRODUKTIONSLEITUNG ehrliche Arbeit - freies kulturbüro

Eine Produktion von Monster Truck in Koproduktion mit Ringlokschuppen Ruhr, FAVORITEN 2016 und Sophiensaele Berlin. Gefördert durch das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW, die Kunststiftung NRW, den Fonds Darstellende Künste und den Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten.

Laudatio von Alexander Kerlin, Favoriten Festival 2016

Jurybegründung- MADE FOR LOVE von MONSTERTRUCK
Ein junger Mann, ein Performer, schlurft auf die Bühne - ausgerüstet mit nichts als einem Besen, einer Trittleiter, einer Wanne voll Kleister und diversen großen Bögen bedruckten Fotopapiers. In der Bühnenmitte wartet bereits sein Gegenspieler für die nächsten 60 Minuten auf ihn: eine schwarz beklebte Werbetafel, die den Zuschauern in fetten, weißen Lettern einen der größten Geniestreiche der Werbetextgeschichte vorhält: "JUST DO IT". Im Ohr der Zuschauer die erbaulichen Overtüren-Nachklänge der Post-Metal und bleaky Hardcore Band "ABEST".
Was dann folgt, ist die zwischen "Romeo und Julia" und modernem Hollywoodkino vermutlich meisterzählte Geschichte der Welt: Girl meets Boy. Die Protagonisten auf den perfekt ausgeleuchteten Werbe-Oberflächen dieser Bildgeschichte, der wir nun beiwohnen, die der Perfomer pflichtbewusst akkurat und zunehmend schweißtriefend auf den Untergrund aufkleistert, ein Motiv nach dem anderen, Schicht für Schicht - diese beiden Protagonisten sind zwei Produkt-
Behälter, ziemlich prominente, mit überlebenswichtigen Flüssigkeiten - aber da hören die Gemeinsamketien schon auf. Hier der blau-weiße Milchkarton, mitten in den Bergen: der Mann, der knuffige Marken-Bär, der spritzige Alpen-Typ. Dort die rosa Schampooflasche mit aufgedrucktem, wallenden Haar, die sich in der sanften Brandung rekelt und uns zu sagen scheint: "Schau ma', wie schön ich bin!". Hier der Ernährer, dort die Hygiene. Kann das gut gehen?
Fünf Bilder reichen MONSTERTRUCK aus für diese prominenteste aller tragik-romantischen Dramaturgien: Da ist er. Da ist sie. Da begegnen und verlieben sie sich. Da schlafen sie miteinander. Da sind sie tot. Am Schluss des einstündigen Dramas laufen die Behälter aus, eingedrückt und alt, sind bestenfalls noch Material für den gelben Sack. Und der Marken-Bär liegt erschossen im Schauma-Schaum, der sich den entscheidenden tragischen Moment zu spät über den Ex-Liebhaber ergoss. Die banale Tragödie der Produkte im Spätkapitalismus, die ewige Tragödie der Geschlechterbeziehung. Die schräge Frage, wie Produkte LIEBEN dient der Aufführung als Aufhänger, um unaufdringlich, humorvoll und fast en passent andere Themen aufzuwerfen: Welche Bilder von Männlichkeit und  Weiblichkeit zementiert die Werbeindustrie? Wie werden die "Imagosphären" aus käuflichen Lebensgefühlen um die Produktie orchestriert? Wie sprechen Bilder? Wie manipulieren sie uns? Wie steht es um das Verhältnis von Naturmetaphern, Sexualität und Konsum? Warum versprechen uns Produkte immer ein Mehr an Liebe? Warum geht es nicht drunter?
MADE FOR LOVE schlägt mit einem durch und durch innovativen Kunstgriff vor, wie man auf der Bühne ein kritisches und lustvolles Kommentar auf die Bilderflut der Sozialen Medien abgeben kann. Das Stück ist wie eine Botschaft vom anderen Ende des Internets. Es ruft dieses unerträgliche Gefühl aus den Kindertagen des Netzes in Erinnung, als sich die Bilder erst über viele zähe Minuten aufbauen mussten, beovr man sie betrachten konnte. MADE FOR LOVE ist ein großes Poem über die Welt der Produkte, die Brillianz ihrer Designer und die Weisheit der Texter. Monstertruck exerzieren ihre Idee mit großer Präzision, ohne Umwege, humorvoll, rhytmisch und räumlich präzise. Viel Stoff fürs Herz und fürs Hirn!
Herzlichen Glückwunsch

Lisa Kerlin: "Milchtüte trifft Shampoo", Theater der Zeit

„Made for Love“ hieß der ungewöhnliche Abend von Monster Truck, er kam gänzlich ohne Worte aus und ließ die Bilder sprechen. Wenn die Menschheit nicht mehr ist, übernehmen die Dinge die Erzählungen und Rituale, die sie bei den Menschen beobachten konnten: Wir erleben die Liebestragödie einer Shampooflasche und einer Milchtüte. Auf einer Plakatwand trägt der Performer Mark Schröppel Schicht für Schicht mit viel Kleister die Bilder dieser schrägen Foto-Love- Story auf, die nach dem romantischen Höhepunkt („Nights in White Satin“) letztendlich für Tüte und Flasche mit dem Tod endet – und der Bärenmarke-Bär wird im Schaumberg begraben. Die deutlich zitierte, einfache Boy-meets-Girl-Dramaturgie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier mehr auf dem Spiel steht: Techniken der Manipulation in der Werbeindustrie, Rollenbilder von Männlichkeit und Weiblichkeit.

Georg Kasch: "Ein Poem über die Welt der Produkte", Berliner Morgenpost, April 2017

Wahre Romantik gibt es nur noch in der Werbung? In Monster Trucks "Made for love" kommt das hin. Denn da verlieben sich eine Milchpackung und eine Shampooflasche ineinander – beide von bekannten deutschen Marken. Doch wie in "Romeo und Julia" währt die junge Liebe nicht ewig. Ein eifersüchtiger Nebenbuhler streckt die beiden nieder. Am Ende liegen sie nebeneinander, vereint nur durch ihre Flüssigkeiten: Milch und Shampoo, weiß und schaumig ineinandergegossen.
Die Gruppe Monster Truck, in Gießen gegründet und lange schon in Berlin beheimatet, gehört zu denjenigen im Performance-Geschäft, die immer wieder für eine Überraschung sorgen. Regelmäßig weiten sie den Theaterbegriff, machten Darsteller mit Downsyndrom zu Regisseuren, verschiedene gesellschaftliche Gruppen zu Schauspielern und erklärten Operninszenierungen und Eishockeyspiele zu Readymades. In "Made for love", das jetzt seine Berlin-Premiere feierte, fragen sie danach, wer hier eigentlich spielt. Und was Romantik ist: ein Gefühl? Eine Epoche? Ein Produkt? In den Sophiensälen tritt zuerst eine dreiköpfige Hipsterband auf, die ziemlich cool und ohrenbetäubend Hardrock abschrummelt. Dann kommt Mark Schröppel mit seinem Wägelchen und beginnt, die große grüne Tafel einzukleistern, die mitten auf der Bühne steht und die Worte trägt: "Just do it". Schröppel ist ein Moritatensänger ohne Worte, der das, was er jetzt mit Bildern erzählt – fünf Werbeplakate enthüllen die tragische Liebesgeschichte zwischen der Milchpackung und der Shampooflasche – mit seiner körperlichen Anstrengung durchleidet. Immer wieder rutscht er im Kleister aus, versucht verzweifelt, die Blätter auf Kante zu ziehen, ein Clown wider Willen, der herzzerreißend gegen die Schwerkraft kämpft. Und mit dem Gefühl der klammheimlichen Freude im Publikum, sich diese klebrige Tortur nicht antun zu müssen.
Wie oft bei Monster Truck muss man eine gute Portion Geduld mitbringen, muss sich einlassen auf das langsame Erzähltempo, den dramatischen Bruch zwischen Hardrock und szenischer Gemächlichkeit. Doch allmählich baut sich über die 60 Minuten eine Spannung auf, die nur von gelegentlichem Gelächter durchbrochen wird und auf einen ebenso überraschenden wie dramatischen Höhepunkt zusteuert – eine Pointe, wie sie eine Seifenoper nicht herzzerreißender inszenieren könnte, die die wahre Romantik als Ware Romantik entlarvt und dennoch berührt. Beim letzten Favoriten-Festival in Dortmund gewannen Monster Truck einen der drei Hauptpreise der Jury mit der Begründung: ",Made for Love' ist ein großes Poem über die Welt der Produkte, die Brillanz ihrer Designer und die Weisheit ihrer Texter. Viel Stoff fürs Herz und fürs Hirn." Stimmt so.